Jean-Michel Basquiat: Remembering a Giant

Ute Thon interviewing Fondation Beyeler director Sam Keller at the opening of the Jean-Michel Basquiat exhibition in Basel 2010

In New York eröffnet Angelina Jolie eine Edelboutique in dem Haus, in dem Jean-Michel Basquiat lebte und starb

Im November 2023, auf meinem Rückweg von Fogo Island, machte ich einen Zwischenstopp in New York. Ich wohnte bei einer Freundin im East Village und durchstreifte die alte Nachbarschaft, in der ich in den 1990er Jahren gewohnt habe. Erstaunlicher Weise hat sich die Gegend weniger verändert als andere Bezirke Manhattans, etwa Chelsea, Soho oder Tribeca, wo neue Wohntürme wie Pilze aus der Erde schießen. Zwischen Tompkins Square Park, East Houston Street und Broadway sieht alles (fast) so aus wie früher: Es gibt immer noch das Restaurant Veselka, die Pasticceria Veniero’s und den Räucherfisch-Deli Russ & Daughters, wo der Creamcheese-Lachs-Bagel jetzt allerdings stolze 20 $ kostet.

Auf meinen Erkundungen schlenderte ich auch durch die Great Jones Street, eine der kleineren Querstraßen in der Lower East Side. Gegenüber der alten Feuerwehrstation steht Haus Nr. 57, ein unspektakulärer Bau, der mit Graffiti und Tags überzogen ist. Hier hatte Jean-Michel Basquiat sein Studio, hier starb er 1988 an einer Überdosis. Geweihte Erde also für Basquiat-Fans. Doch New York gibt sich in solchen Dingen ziemlich unsentimental. Immerhin erinnert an der Fassade eine Metallplakette an den berühmten Schwarzen Künstler, der mit Street Art startete und die etablierte Kunstszene mit seiner hintergründigen, radikal innovativen Malerei aufmischte.

Das Haus war verrammelt, im Fenster ein For Lease-Plakat. Es hat eine schillernde „Only-in-New-York“-Geschichte. Mitte des 19. Jahrhunderts als Pferdestall erbaut, wurde es zum Saloon, Tanzsaal und Bordell, einer notorischen Absturzkneipe, aus deren Hinterzimmer Paul Kelly, einer der größten Gangster New Yorks seine Five Points Gang deligierte. In den 70er-Jahren kaufte Pop-Art-King Andy Warhol den Schuppen und vermietete ihn später an seinem Freund Jean-Michel. Nach Basquiats Tod wurde das Haus zum Mecca für Straßenkünstler, die ihre Tags hinterließen und die Fassade mit einer übergroßen Krone bemalten – Basquiats Markenzeichen. Inzwischen gehört das Gebäude einem stadtbekannten Immobilienmakler, der es zum Mietpreis von 60.000 $ pro Monat anbietet.

Tatsächlich hat jetzt wieder ein A-List-Promi angebissen. Wie die New York Times berichtet, eröffnet Angelina Jolie dort eine Mode-Boutique. Ihr exklusives Schneideratelier mit „appointment-only fitting room“ bietet Kleider aus Vintage-Stoffen und im schicken Café türkischen Mokka und syrische Küchlein. Ob das dem berühmten Vormieter gefallen hätte? Auch was Mode angeht, war Jean-Michel Basquiat kein Mauerblümchen, sondern kreativer Trendsetter, von dem sich Angelina vielleicht noch die eine oder andere Anregung holen könnte. Künstlerisch ist Basquiat längst über die Great Jones Street hinausgewachsen und im Olymp angekommen, mit Retrospektiven in den großen Museen der Welt und Millionen-Preisen auf dem Kunstmarkt.

2010 habe ich mich schon einmal auf die Spuren von Jean-Michel Basquiat begeben. Damals stand ich vor dem Haus 57 Great Jones Street. Für eine große Magazingeschichte interviewte ich viele seiner Weggefährten und Freunde, darunter Lorraine O´Grady, Michael Holman, Jeffrey Deitch und Suzanne Mallouk. Hier die ganze Story, die im Kunstmagazin Art, 5/2010 erschien.

Bei der Eröffnung der Ausstellung in der Fondation Beyeler, der ersten großen Museumsretrospektive in Europa, sprach ich für VERNISSAGE-TV mit dem Direktor Sam Keller, einen Basquiat-Kenner und -Fan der ersten Stunde. Hier ist ist das Interview.

Interview mit Sam Keller anlässlich der ersten großen Basquiat-Ausstellung in der Fondation Beyeler 2010, courtesy: vernissageTV