Mati Diops Film Dahomey thematisiert die Rückgabe antiker Kultgegenstände an den afrikanischen Staat Benin
Zum zweiten Mal hat auf der Berlinale ein französischer Dokumentarfilm den Goldenen Bären gewonnen. Letztes Jahr war es L’Ademant über ein psychiatrische Tagesklinik in Paris. Jetzt wurde Dahomey zum besten Film des Festivals gekürt, eine eigenwillige Doku über Restitution und Kolonialismus von der französisch-senegalesischen Regisseurin Mati Diop.
Es beginnt mit einer schwarzen Leinwand und einer unheimlichen Stimme aus den Off. König Ghezo, oder besser sein Geist, der in einer mannshohen Holzstatue wohnt, raunt mit blecherner Stimme aus der Dunkelheit heraus. Er sprich Fon, die indigene Sprache Benins, und erzählt von seiner Verschleppung aus Afrika, der Isolation und Verlorenheit in den Pariser Museumskellern. Wir sehen die Depots des Musée Quai Branly, endlose Gänge im Neonlicht, Überwachungskameras, verschlossene Stahltüren wie im Gefängnis. Hinter einer dieser Türen war Ghezo über 100 Jahre lang weggesperrt. Französischen Kolonialtruppen verschleppten die Figur ebenso wie unzählige weitere Kultgegenstände 1892 aus dem Königreich Dahomey, das im heutigen Staat Benin liegt. Nun hat Präsident Macron mit großer Geste verkündet, die geraubten Objekte sollen an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden.
Ausgewählt wurden aber erstmal nur 26 Stücke, darunter der aufwändig geschnitzte Thron, Ritualgegenstände und eben auch die imposante Figur des Königs. Im Film sehen wir, wie das Museumspersonal die Objekte in Kisten packt. Vorher werden sie penibel untersucht, Zustandsberichte verfasst wie bei der Autopsie einer Leiche. Dann wird die Kiste zugeschraubt und die Leinwand wieder dunkel. König Ghezo beschwert sich, dass man ihn auch jetzt noch, auf dem lang ersehnten Rückweg in die Heimat, seinen Namen verweigert. Die Statue mit erhobenen Armen und Metallklingen am Körper wird auf dem Transportmanifest nur als Objekt Nr. 26 geführt.
Mit der Ankunft der Kisten in Benin ändert sich die kühle Stimmung des Films. Die restituierten Objekte sollen zunächst in Cotonou im Präsidentenpalast ausgestellt werden. Beim Transport vom Flughafen dorthin sieht man jubelnde, tanzende Menschen am Straßenrand. Zur feierlichen Eröffnung strömen Stammesführer in prächtigen Roben ins Museum, auf dem Dach stehen Soldaten mit Maschinengewehren, drinnen die Besucher staunend vor den Dingen, die von ihrer verloren geglaubten Geschichte erzählen. Auch Ghezos Stimme aus dem Off wird versöhnlicher.
Die Mischung aus nüchterner Dokumentation und mythischer Erzählkunst verleiht dem Film etwas Magisch-Hybrides. Was die Fakten angeht, bleibt er dagegen ziemlich vage. Zum Ende hin dokumentiert Mati Diop eine Diskussion an der Universität vor Ort. Da melden sich Studenten und Studentinnen zu Wort, die von der Rückkehr der Skulpturen nicht nur begeistert sind. Sie kritisieren etwa, dass von rund 7000 geraubten Gegenständen nur beschämende 26 Stücke zurückgegeben wurden. Oder hinterfragen, was solche verstaubten Objekte mit ihrem heutigen Leben zu tun haben sollen. In die Wut mischen sich auch berechtigte Zweifel, dass die ganze Rückgabe-Aktion nur wieder eine neue Form der Ausbeutung sei, diesmal getarnt all Good-Will—Geschenk für die kulturlosen Afrikaner.
67 Minuten – so kurz ist Diops Film – reichen leider längst nicht aus, um all die komplexen Fragestellungen rund um Kulturraub, Restitution und postkoloniales Erbe zu beantworten. Dahomey bietet einen neuen Einstieg, eine Perspektive, die den Blick weg von den Räubern auf die Erfahrungen der Beraubten richtet. Und die namenlosen Objekte endlich zum Sprechen bringt. Noch liegt da viel im Dunkeln. Aber der Dialog auf Augenhöhe hat begonnen.