Bravo! Maria Schraders Film SHE SAID über den Weinstein-Skandal

Der Film basiert auf Recherchen der New York Times-Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey und ihrem gleichnamigen Buch über den Harvey Weinstein-Missbrauchsskandal. Und obwohl man den Ausgang dieser Geschichte längst kennt – Weinstein sitzt hinter Gittern, die Veröffentlichung der beiden Reporterinnen hat die MeToo-Bewegung angestoßen und sexuelle Übergriffe auf Frauen und das Vertuschungssystem männerdominierter Netzwerke weltweit zum Thema gemacht – ist der Film hochspannend. Das liegt vor allem an Maria Schraders disziplinierter Regie, die nie ins Effekthascherische abrutscht, sondern ihren Darstellerinnen und dem Drehbuch von Rebecca Lenkiewicz vertraut. Das konzentriert sich ganz auf die Arbeit der Journalistinnen, gespielt von Carey Mulligan und Zoe Kazan, zeigt ihre jahrelangen, zähen Recherchen, die Suche nach Zeuginnen, die Wand des Schweigens, die verängstigten Opfer, die aalglatten Anwälte, die mühsame Überzeugungsarbeit, alles eher unglamouröse, nervenaufreibende Recherchearbeit in einer  guten alten Zeitungsredaktion. Tatsächlich durfte Schrader sogar im gläsernen Tower der NYT drehen – Covid-Lockdown und eine Redaktion im Home-Office machten es möglich.

Die Unbestechlichen: Carey Mulligan und Zoe Kazan im Trailer von She Said, ab 8.12. im Kino

Zwei Reporterinnen haben die MeToo-Debatte angestoßen

Vorbild für den Film ist unbedingt auch Die Unbestechlichen, Alan Pakulas Kinoklassiker von 1976 über die Watergate-Affäre mit Robert Redford und Dustin Hofman in den Hauptrollen, in dem auch die Ermittlungsarbeit der Journalisten ganz im Zentrum steht. She Said ist das feministische Pendant dazu, mit dem Vibe und den Themen 2020er Jahre. Die Investigativ-Reporterinnen werden nicht nur als knallharte Ermittlerinnen gezeigt, sondern auch als gestresste Mütter und imperfekte Partnerinnen, die vor der Recherchereise klären müssen, wer sich um die Kinder kümmert. Und es geht diesmal nicht um Machtmissbrauch in der Politik, sondern im Filmbusiness. Sicher hätte Schrader dazu auch einiges aus persönlicher Erfahrung zu erzählen. Auf jeden Fall musste sie bei Handlung und Dialogen extrem auf den Punkt sein. Denn nichts wurde fiktionalisiert, alle Fälle sind aktenkundig, alle Namen echt.

Ashley Judd spielt sich selbst

Die Schauspielerin Ashley Judd, eines der prominentesten Opfer, spielt sich selbst. Wie sehr sich Schrader als Regisseurin mit den Opfern solidarisiert, die so oft als rache- und publicitysüchtige Lügnerinnen verunglimpft wurden, zeigt sich in einer wichtigen dramaturgischen Entscheidung: Die demütigenden sexuellen Übergriffe, das monströse Allmachtsgehabe des Filmmoguls, werden nicht in Szene gesetzt, sondern nur in den aufrührenden Erzählungen der Opfer sichtbar, in ihren Gesichtern, ihren gebrochenen Biografien. Das ist manchmal schwer zu ertragen. Doch weil wir ja wissen, wie die Sache ausgeht, dass der allmächtige Weinstein zu guter Letzt doch noch zur Rechenschaft gezogen wird, ist She Said ein optimistischer Film! Und eine Hymne auf guten Journalismus und die Presse als vierte Gewalt.

She Said von Maria Schrader, ab 8.12.2022 im Kino